Köpenick ist einen Ausflug wert, dachte ich mir auf der Suche nach einer Kurzerholung. Von Mitte braucht man etwa 30 Minuten mit der S-Bahn, um in den 15 Kilometer entfernten Ort zu gelangen, der bis 1920 eine eigenständige Stadt war.Vom S-Bahnhof aus sind es dann noch ein paar Minuten Fußweg zur historischen Innenstadt, vorbei an Friseursalons, Optikern, Hörgeräteakustikern und Rehaläden, die ganz auf die Bedürfnisse einer gealterten Bevölkerung ausgerichtet sind. Alt ist auch die Geschichte vom „Hauptmann von Köpenick“, dessen Charade den Ort einst weltberühmt gemacht hat. Jedes Kind kennt sie, doch ich hoffe noch mehr zu erfahren. Und so führt mein erster Weg zum historischen Rathaus in die Ausstellung über den Urheber der Köpenickiade, Wilhelm Voigt, und seine Zeit. Ich werde nicht enttäuscht. Die Schau ist definitiv ein Highlight, sie ist sehr informativ und beansprucht nicht viel Zeit. Auch der Tresor, den Voigt 1906 ausgeraubt hat, ist hier zu besichtigen.
Grünkohl mit Pinkel
Da Mittwoch ist und das Schloss Köpenick an diesem Tag geschlossen hat, beschließe ich im Ratskeller nebenan einzukehren, zumal es jetzt heftig regnet. Anders als in den verwaisten Ausstellungsräumen im Rathaus herrscht hier zur Mittagszeit Hochbetrieb. Der gefühlte Altersdurchschnitt der Restaurantbesucher, die sich mit offensichtlich gutem Appetit die preiswerten Gerichte der Mittagskarte schmecken lassen, beträgt etwa 70 Jahre. Ich entscheide mich für Grünkohl mit Pinkel (eine gute Wahl). Da es noch immer regnet, wandere ich nach dem Essen 50 Meter ins Altstadtcafé Cöpenick weiter. Dort entpuppt sich die fürstlich teure Champagnertorte jedoch als ganz normale Buttercremeschnitte, der Cappuccino schmeckt wie aus der Tüte.
Gräber im Regen
In einem Anflug von Selbstkasteiung beschließe ich, den Tag mit einem Besuch auf dem örtlichen Friedhof ausklingen zu lassen. Ein Bekannter aus Köpenick hatte ihn mir als sehenswert empfohlen. Leider beschränkt sich der historische Teil auf nur wenige Gräber. Allein der kuriose Grablichtautomat vermag jetzt noch meine Aufmerksamkeit zu fesseln. Vielleicht liegt es am Regen.
Nach fast vier Stunden Köpenick bin ich froh, in der S3 Richtung Ostkreuz zu sitzen und in belebtere Gefilde zurückzukehren. Manchmal, das steht für mich nun fest, ist es gut, die Hektik der Stadt hinter sich zu lassen, um dann wieder schätzen zu können, was man an ihr hat.
Ev. Friedhof St. Laurentius, Rudower Str. 23, 12557 Berlin
Ratskeller, Alt-Köpenick 21, 12555 Berlin (täglich 11-23 Uhr), ratskeller-koepenick.de
Altstadtcafé Cöpenick, Alt-Köpenick 16, 12555 Berlin, täglich 10 bis 18.30 Uhr, altstadtcafe.de
Schloss Köpenick, Schlossinsel 1, bis März Do-So. 10 bis 17 Uhr (Eintritt 5 bzw. 2 Euro)
25. Januar 2013 um 21:50
Schöner Artikel Nicole. Ja, auch ich bin froh, nach einem Ausflug in die Stille oder in die „Vorstädte“ wieder mitten hinein ins pralle Grossstadtleben zu kommen. Grüsse an Deine Mit-Bloggerinnen.
27. Januar 2013 um 15:09
Ganz herzlichen Gruß zurück – du bist ein Vorbild in Sachen Ausdauer und Können beim Bloggen! http://sprechlichtung.blogspot.de/
26. Januar 2013 um 20:32
Früher dachte ich immer, Köpenick ist Berlin (siehe auch unter http://frischeberliner.wordpress.com/2012/11/29/berlin-einameisenhaufen). Dann sind wir nach Berlin gezogen und ich weiß jetzt, das das nicht stimmt. Für mich ist Köpenick aber noch immer einer der schönsten Stadtteile hier. Besonders der Weg zum Müggelsee, immer an der Spree lang. Oder mit dem Ausflugsdampfer, auf dem wir – zugegenermaßen – den Altersdurchschnitt kräftig senken.
27. Januar 2013 um 15:02
Hallo, Katja, danke für die Einwürfe. Nehme deine Anregung auf und werde im Sommer (!) nochmal etwas über Köpenick schreiben.
26. Januar 2013 um 20:33
Und noch was: in Köpenick finden sich sicher die zahlreichsten stillen Winkel in ganz Berlin!
11. August 2016 um 21:45
schade, dass deine Erfahrung nicht so positiv war..
Ich bin in Kreuzberg geboren, 1988, genau im Wrangelkiez. Ich bin augewachsen mit türkischen Banden und später, jetzt, Drogendealern und den dazugehörigen Feiernden.
Ich habe „mein“ Kreuzberg immer geliebt, ich habe den Trubel geliebt, die Gegend, die Leute, den Einzelhandel, den Multikulti. Bis vor 5 Jahren, als der „Ballermann“ kam.
Ich bin vrher nie umgezogen und nun gleich in’s Gegenteil: Altstadt Köpenick. Und ich genieße es so so so sehr.
Ja, Reha und Optiker etc gibt es viele, aber Altersdurchschnitt 70 ? Wohl kaum. Zumindest wird er durch uns sehr gesenkt.
Wenn Du noch einmal kommst, auch im Winter – schau mal in die nicht so offensichtlichen Ecken 😉
Im milchkaffee erkannte mich der Kellner nach einem einzigen Kaffeebesuch und grüßt seitdem. Ich liebe es 🙂
Beim Spanier 3 Häuser weiter gibt es sehrsehr gute Tapas und den Hauswein lassen wir uns für 3,5€ abfüllen in eine alte Flasche und genießen <3
Spaziergänge unten am Wasser (schau mal hinter die Bibliothek) oder über die blaue Brücke, die Grünheit bewundern und danach durch das alte Filmviertel schlendern und von den Wohnungen dort träumen..
Ein Picknick packen und es am Wasser auf der Schlossinsel genießen oder durch Kietz (nein, kein Verschreiber) laufen und die winzigen Fischerhütten bewundern..
In der Grünstraße einen Eistee (oder Eiskaffee holen) und schlendern, ein Bier in der kleinsten Brauerei.
Wenn du mit Kind bist, schau dir das Spielcafé an am Alten markt.
Und wink mal hoch zum Klinker-Haus ggü der Bibliothek 😉
Und wenn ich Trubel will – dann nehm ich den 165 und fahr direkt in die alte Heimat zum Schlesischen Tor 😉 – aber wenn ich wiede in den Bus steige, merke ich sofort, wie gut mir die Ruhe tut, das etwas langsamere.
Hier ist es noch ein wenig wie in einer Kleinstadt.
Ich glaube, es gibt schlimmeres 🙂